Mein kleines Seligenstadt #3 – Augenblick
Manche Bilder lassen sich nicht in Fotos einfangen. Deshalb versuche ich das folgende Bild in Worte zu fassen, um es für euch zum Leben zu erwecken.
Mainufer Klein-Welzheim, die Sonne steht tief. Es ist einer der ersten hoffnungsgeladenen Frühlingstage nach einem kurzen Winter. Die Kälte schneidet noch in die Haut ein und ich vergrabe meine Hände in den Manteltaschen. Mein Atem bildet kleine Dampfwolken, die langsam nach oben steigen und sich auflösen. Es ist nahezu windstill. Ich schließe für einen Moment die Augen und sauge die kalte Luft in mich auf. Durch meine Augenlieder spüre ich noch das Sonnenlicht. Die Kirchturmglocke verkündet die volle Stunde, 17 Uhr.
Ich öffne die Augen und drehe meinen Kopf nach oben. Über mir säumen die noch kahlen Baumkronen den wolkenlos blauen Himmel, der sich in jede Richtung in die Unendlichkeit auszustrecken scheint. In einem Ast sitzt ein Vogel, der seinen Kopf in das Gefieder zurückzieht, um sich vor der Kälte zu schützen. Ein lachendes Mädchen rast an mir mit ihrem Kinderfahrrad vorbei und klingelt beim Überholen. Dabei verschreckt sie den Vogel über mir, der sich in die Luft erhebt und irgendwo über dem Main verschwindet.
Ich senke meinen Blick wieder und sehe dem Mädchen hinterher. Auch ihr habt das Mainufer aufgesucht, um das Wetter zu genießen. Links und rechts strömt ihr in unregelmäßigen Abständen an mir vorüber, während ich angewurzelt in der Mitte des Weges stehen bleibe, wie ein Felsen in einem Gebirgsbach. Die Sonne senkt sich immer weiter nieder, sodass ich euch fast nicht mehr sehen kann, weil ihr im Licht der Sonne verschwindet. Aus dem gleißenden Licht kommt ihr heraus, wie Himmelsgestalten aus den Wolken und in diesem Licht verschwindet ihr wieder. Ich sehe euch an, meine Engel des Mainufers und eure Haare glänzen im Gegenlicht.
Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Horizont und der Zauber mit ihr…
Gute Nacht, mein kleines Seligenstadt.